Buddhistische Praxis hat zwar in ihrer äußeren Form einiges mit Religion gemeinsam – im Zentrum steht jedoch nicht der Glaube an etwas, das sich letztlich einer kritischen Untersuchung entzieht, sondern ein Übungsweg, den jeder Mensch gehen kann. Es ist also im Gegenteil im Buddhismus gerade das Ziel der eigenen Praxis, die Lehren Buddhas anhand der eigenen Erfahrung nachzuvollziehen, um letztlich das uns allen innewohnende Potential zu Frieden, Weisheit und grenzenlosem Mitgefühl zu entwickeln und zu erfahren – ein Potential, das wir vielleicht nie für möglich gehalten hätten.
Diesen Übungsweg dürfen wir uns nun aber nicht etwa als langes und beschwerliches Training vorstellen, an dessen Ende einige Auserwählte einmal die Früchte ihrer Mühen ernten werden. Sicherlich ist es nicht immer einfach, an sich selbst zu arbeiten und sich den eigenen sprichwörtlichen „Dämonen“ zu stellen; mindestens ebenso wichtig für unsere Praxis ist aber die Kultivierung positiver Emotionen. In der Tat ist die Entwicklung einer mitfühlenden und vergebenden Haltung uns selbst gegenüber ein wichtiger Grundstein für den gesamten buddhistischen Übungsweg – und ein überaus lohnendes Unterfangen, das uns bereits hier und jetzt zu mehr innerem Frieden und Freiheit verhelfen kann. Oder wie Sangharakshita (der Gründer der Triratna-Gemeinschaft) es ausdrückt: „Freude ist das Kennzeichen eines wahren Buddhisten.“
Zudem sind wir auf unserem Übungsweg nicht allein: Wir haben den Buddha als Lehrer und Vorbild, den Dharma (seine Lehre), der uns auf vielfältige Weise unterschiedliche Zugänge zu diesem Weg vermittelt, und nicht zuletzt den Sangha, die Gemeinschaft der Praktizierenden. Triratna versteht sich dabei in erster Linie als Netzwerk spiritueller Freundschaften, in dem wir uns bemühen, das Sangha-Ideal lebendig werden zu lassen; natürlich aber auch als Ort und Kontext, in dem Menschen mit dem Buddha und seiner Lehre in Berührung kommen können.
Für den Übungsweg selbst gibt es viele unterschiedliche (teils sehr ausführliche) Darstellungen; ganz grob können wir ihn aber in drei Teile unterteilen: Ethik, Meditation und Einsicht. Grundlage der ethischen Praxis sind die Fünf Vorsätze: Wir nehmen uns vor
- aus liebevoller Güte heraus zu handeln – statt andere Wesen zu verletzen
- Großzügigkeit zu üben – statt zu nehmen, was uns nicht freiwillig gegeben wird
- Stille, Schlichtheit und Genügsamkeit zu praktizieren – statt durch den ungeschickten Umgang mit (sexuellem) Verlangen Probleme und Leid für uns und andere zu erzeugen
- uns um ehrliche und wahrhaftige Sprache zu bemühen – statt uns durch Unwahrheit oder bewusste Irreführung voneinander (und letztlich von uns selbst) zu entfremden
- Achtsamkeit zu entwickeln – statt unseren Geist mit berauschenden Substanzen zu vernebeln
Zwei grundlegende Meditationsformen im Buddhismus sind die Vergegenwärtigung des Atems (Ānāpānasati) und die Entwicklung liebender Güte (Mettā Bhavana). Diese werden auch bei Triratna regelmäßig praktiziert und unterrichtet. Daneben hat auch die Praxis des „bloß sitzens“ (formlose Meditation) einen wichtigen Platz. Bei Triratna bezeichnen wir diesen Teil der Praxis auch als „Integration“, da er unter anderem dazu führt, dass die unterschiedlichen und oft im Konflikt liegenden Teile unserer Persönlichkeit sich stückweise zu einem harmonisch funktionierenden Ganzen zusammenfügen.
Einsicht bedeutet zunächst, die alltäglichen Abläufe in unserem Geist besser zu verstehen. Hierzu müssen wir oft erst einmal lernen, unseren Geist genauer zu beobachten, statt uns in automatischen Reaktionen und Gedankenketten zu verlieren. Neben den obigen Meditationspraktiken ist dabei die Entwicklung von Achtsamkeit im Alltag ein wichtiges Werkzeug. Wenn wir unseren Geist durch diese Übungen hinreichend integriert und ein starkes Fundament an positiven Emotionen entwickelt haben, können wir durch weitere Praktiken wie die Sechs-Elemente-Praxis oder Vipassana-Meditation einen noch tieferen Einblick in die Natur unserer subjektiven Realität erlangen – „sehen wie die Dinge wirklich sind“.